Hier erfährst du, wer die Mundharmonika und ihre Typen entworfen hat und wo sie erfunden wurde.
Circa 3000 vor Christus
China – Für die chinesische Kaiserin Nyn-Kwa ist der Besitz des heute als Sheng bezeichnete Durchschlagzungeninstrument dokumentiert. Sheng-ähnliche Instrumente verbreiten sich in der Folgezeit in ganz Südostasien und werden dort oft benutzt.
1600
1636 – Als erster Europäer nennt Martin Mersènne in Briefen die Sheng. Damit machen Europäer zum ersten Mal mit dem Prinzip der freischwingenden Zunge Bekanntschaft.
1700
Um 1780 – Erste europäische Instrumentenbauer versuchen Instrumente mit freischwingenden Durchschlagzungen herzustellen.
1800
Bis 1800 sind Kenntnisse und Fertigkeiten für die Herstellung von Mundharmonikas grundsätzlich bei Orgelbauern, Uhrmachern und Mechanikern in Europa vorhanden. Es wird spekuliert, das einzelne Exemplare bereits vor den 1820er-Jahren angefertigt wurden. Dafür gibt es aber keine Beweise.
1820er
Anfang der 1820er wird die Mundharmonika rund um Wien erfunden. Oft wird Christian Friedrich Ludwig Buschmann als der Erfinder der Mundharmonika genannt. Die Quellenlage dafür ist aber dünn. Heute wird davon ausgegangen, dass es keine Einzelperson als Erfinder gibt. Wahrscheinlicher ist, dass die Mundharmonika an mehreren Stellen gleichzeitig aufgetaucht ist. Die Mundharmonika wurde wahrscheinlich zuerst als Stimmhilfe von Instrumentenbauern verwendet. Später entstand dann die Idee der Vermarktung als Nebenprodukt. In musikalischen Kreisen findet das Instrument deswegen in der Anfangsphase keine Beachtung. Patente dazu wurden genauso wenig veröffentlicht.
1825 - Wilhelm Thie kauft eine „Mundharfe“ und beginnt sie nachzubauen. In Folge dessen, gründet er in Wien die erste Mundharmonikafabrik der Welt. Thies Mundharmonikas finden sowohl guten Absatz als auch weite Verbreitung. Bei Thie findet später die Erfindung der Tremolo-Mundharmonika statt.
Der Verkauf von Mundharmonikas wird 1825 in Wien erstmals schriftlich erwähnt. Von Wien aus verbreitet sich die Herstellung im ganzen deutschen Sprachraum. Dabei bilden sich drei Zentren heraus: Wien, Klingenthal in Sachsen und Trossingen in Württemberg. Im weiteren Verlauf kommt noch Knittlingen hinzu.
1826 - Im böhmisch-sächsischen Grenzland legt Joseph Richter aus Haida die Tonanordnung fest, die seitdem als Richterstimmung bezeichnet wird. Zudem wird ihm die Erfindung der Ziehzunge zugute geschrieben. Die diatonische Richter-Mundharmonika benutzt 20 Stimmzungen in 19 Kanälen, wobei in jedem Kanal jeweils ein Blas- und ein Ziehton sitzt. Die Tonanordnung breitet sich schnell aus und wird die Grundstimmung aller Mundharmonikas.
Sachsen und Böhmen
Der Geigenmacher Meisel aus Klingenthal ersteht um 1824 eine Mundharmonika auf einer Messe in Braunschweig. Er lässt die Mundharmonikas vom Werkzeugmacher Langhammer im benachbarten Graslitz in Böhmen (Sudetenland) nachbauen. Ab 1827 wurden dort bereits hunderte der Instrumente hergestellt. Es bildeten sich rund um das Gebiet mehrere Manufakturen, die Mundharmonikas herstellen. Allein in Klingenthal sind 1839 fünfzig Betriebe dokumentiert!
Württemberg
Eine besondere Konzentration der Herstellung entsteht in Trossingen in Württemberg. Zu dieser Zeit zählte die Region zu strukturschwachem Gebiet mit Uhrmachertradition.
1830er
Nun beginnen die Ära der Massenproduktion der Mundharmonika. Das Instrument ist längst weit verbreitet.
1830 – Der Schneider und Weber Christian Messner aus Trossingen baut eine Mundharmonika, die ihm ein benachbarter Kaufmann aus Wien mitbrachte. Seine Produkte werden so erfolgreich, dass schließlich die gesamte Familie in die Produktion mit einsteigt. Die Firma Christian Messner & Co. wird gegründet. Nach Streitigkeiten entschließt sich sein Neffe die Württ. Harmonikafabrik Ch. Weiss zu gründen.
1840er
1847 – Christian August Seydel gründet in Klingenthal die heutige Firma C.A. Seydel & Söhne, später steigen seine Söhne in das Geschäft mit ein. Die Mundharmonika-Manufaktur Seydel entwickelt sich daraufhin zu einem der größten Produzenten im deutschsprachigen Raum. Die Firma ist heute der älteste Hersteller Deutschlands.
1850er
1857 – Matthias Hohner gründet in Trossingen die gleichnamige Firma als Familienbetrieb, nachdem er Christian Messner und Weiss besuchte und deren Fabrik besichtigte.
1860er
Die Mundharmonika-Produktion erreicht für damalige Verhältnisse enorme Stückzahlen. Rund um Klingenthal werden nun schon drei Millionen Mundharmonikas pro Jahr produziert. Auch bei Hohner beginnt die Massenproduktion, indem der Kanzellenkörper mit Hilfe von Maschinen gesägt wird. Dank Fräse- und Stanzmaschinen kann die Herstellung von Stimmzungen und Stimmplatten nochmals beschleunigt werden. Diese stammen aus der von Julius Berthold in Klingenthal gegründeten Maschinenfabrik.
Das Instrument ist günstig und für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich. Es ist so etwas wie ein Volksinstrument. Heute gilt die Mundharmonika als das am meisten gebaute Musikinstrument der Welt.
Der amerikanische Bürgerkrieg beflügelt die Nachfrage. Für die Soldaten ist das portable Instrument ideal. Dadurch wird die Mundharmonika zu einem elementaren Instrument in der amerikanischen Musik. Sie ist auch heute noch untrennbar mit dem Cowboy-Image verbunden.
1868 – Mathias Hohner beginnt mit dem Export von Mundharmonikas in die Vereinigten Staaten von Amerika. Er sendet einige seiner Instrumente an ausgewanderte Verwandte. Dadurch gelingt es ihm, die Popularität so zu steigern, dass er nun große Mengen exportiert.
1880er
1887 werden bei Hohner bereits eine Million Mundharmonikas pro Jahr hergestellt. In Amerika kommt es in dieser Zeit zu einer Wirtschaftskrise, so dass der Absatz einbricht. Die Firma Hohner sucht sich weltweit andere Absatzmärkte und sorgt damit dafür, dass das Instrument weltweit bekannt wird.
1890er
1896 – Das Modell Marineband erscheint. Dieses wird später zur meistverkauftesten Mundharmonika der Welt. Damit hat die diatonische Mundharmonika gleichzeitig ihre moderne Form erreicht. Die Hohner Marineband ist noch immer ein populäres Modell und ist auf unzähligen Aufnahmen verewigt. Sie ist deswegen der Standard einer diatonischen Mundharmonika.
1897 produziert Hohner bereits 3 Millionen Mundharmonikas im Jahr.
1898 wird die Mundharmonika in Japan eingeführt. Dort entwickelt sich die Tremolo-Mundharmonika zur beliebtesten Form.
1900
1911 – Matthias Hohner stellt nun acht Millionen Mundharmonikas pro Jahr her.
1913 veröffentlicht Hohner zum ersten Mal eine chromatische Mundharmonika in einem englischen Produktkatalog.
1920er
Die Mundharmonika wird als Instrument beim Volk immer beliebter und taucht ab 1925 zunehmend in populären Musikaufnahmen auf. In den USA entwickelt sich ein Boom und überall im Land bilden sich Mundharmonika-Bands. Die Mundharmonika wird sogar Teil des Schulunterrichts. Derweil werden neue Mundharmonika-Arten entwickelt. Aus dieser Zeit stammen die chromatische, Bass- und Akkord-Mundharmonika.
1920 bis 1930 – C.A. Seydel Söhne produziert 7 Millionen Mundharmonikas pro Jahr.
1924 – Hohner verkauft nun die chromatische Mundharmonika.
1925 – In Trossingen und Klingenthal entstehen pro Jahr zusammen 25 Millionen Mundharmonikas.
1930er
Der Siegeszug der Mundharmonika ist nun nicht mehr zu stoppen. Sie präsentiert sich in Filmen. Mit Larry Adler erscheint erstmals ein Mundharmonikavirtuose der sowohl Klassik als auch Jazz auf dem Instrument beherrscht. Erstmals schreiben klassische Komponisten Stücke für die Mundharmonika. Unter ihnen sind Arthur Benjamin, Malcolm Arnold, Ralph Vaughan Williams und Darius Milhaud.
In Asien breitet sich die Mundharmonika weiter aus, dabei entwickelt sich Hong Kong zum Zentrum für Tremolo-Harmonikaspieler. Dort kommt es zur Bildung erster Mundharmonika-Organisationen.
In Japan wird in den 1930ern mit alternativen Stimmungen experimentiert, die besser für die asiatische Musik passte. Dort erscheint zum ersten Mal auch eine in Moll gestimmte Mundharmonika.
1930 – Hohner verkauft weltweit 25 Millionen Mundharmonikas pro Jahr.
1940er
In den USA wurden Mundharmonikas aufgrund der Importverbote in den 1940ern knapp. Schließlich kamen die Haupthersteller aus Deutschland und Japan – und waren damit Feinde. Wegen des zweiten Weltkriegs sind zudem die benötigten Materialien für Harmonikas knapp. In den Vereinigten Staaten entwickelt Finn Haakon Magnus eine Mundharmonika, die komplett aus Kunststoff besteht. Zwar waren die Instrumente dadurch kostengünstiger zu produzieren. Doch fehlte ihnen der charakteristische Klang. So wurden sie dort lediglich als Kinderspielzeug populär.
1947 – Der Song „Peg O' My Heart“ von den Harmonicats wird der Hit des Jahres. Darauf reagiert die US Musikergewerkschaft. Sie ändert die Einordnung der Mundharmonika von einem Spielzeug zu einem anerkannten Instrument ab. Mundharmonika-Spieler können somit seitdem Mitglieder werden.
1950er
Die Mundharmonika verbreitet sich in diversen Musikstilen. Im Blues spielt sie schon länger eine tragende Rolle. In den 1950ern entwickelt sich der elektrische Blues Harmonica Sound in Chicago. Dieser prägt den Mundharmonikasound der auch im Rock dominierend wird.
In dieser Dekade breitet sich die chromatische Mundharmonika in Hong Kong aus.
1952 - Ein Patent für einen Kanzellenkörper aus Kunststoff wird für William Kratt registriert.
1960er
In den 1960ern wird das chinesische YMCA Orchester gegründet. Die Mundharmonika wird immer populärer. In England schwappt mit dem Rock'n Roll auch eine Begeisterung für Blues nach Europa und damit auch die Mundharmonika. Gerade die Beatles machen das Instrument in der Pop-Musik einem breiteren Publikum bekannt. Daneben wird amerikanischer Soul und Funk in Europa immer bekannter in dem die Mundharmonika oft eingesetzt wird.
1965 – Die Mundharmonika ist das erste Musikinstrument im Weltraum, als Astronaut Walter Schirra „Jingle Bells“ auf einer Hohner Little Lady spielt, die er an Bord des Raumschiffs Gemini 6 geschmuggelt hat.
1970er
Die Mundharmonika findet sich in unzähligen populären Aufnahmen in Rock, Pop, Jazz und Blues wieder. Howard Levy entdeckt die Overbending-Technik und perfektioniert diese. Damit wird die Richter-Mundharmonika universell einsetzbar.
1980er
Die deutschen Hersteller investieren in die chromatische Instrumente. Auch gibt es jetzt sogenannte Customizer, die handelsübliche Harmonikas überarbeiten und tunen.
1983 – Lee Oskar steigt mit Tombo in die Mundharmonikaproduktion ein
1986 – Die Matthias Hohner GmbH hat über eine Milliarde Mundharmonikas hergestellt.
1990er
Hohner erneuert seine Maschinen. Nicht zuletzt durch Steve Bakers Einwirken wird die Produktpalette erneuert.
Nach der deutschen Wiedervereinigung erscheint C.A. Seydel wieder auf internationalen Märkten.
2000 bis heute
Die Entwicklung der Mundharmonika ist noch nicht abgeschlossen. Japanische Mundharmonika Hersteller forcieren Innovationen. Suzuki veröffentlicht beispielsweise eine Mundharmonika, mit der Overblows besonders gut spielbar sind. Auch amerikanische Anbieter wie Turboharp entwickeln neuartige Konzepte.
Die deutschen Hersteller haben darauf ihrerseits mit Neuentwicklungen reagiert. Seydel verwendet neuartige Materialien. Hohner experimentiert mit Resonanzzungen (Hohner XB-40). Es kommt auch zu einer zunehmenden Orientierung an den Bedürfnissen der Mundharmonika-Spieler.
Quellen
- Klaus Rohwer, http://www.klausrohwer.de/privat/hobbies/muha/geschi.htm. 2017
- Ben Marks, https://craftsmanship.net/the-return-of-the-harmonica. 2017
- Smithsonian Mag, https://www.smithsonianmag.com/history/industrial-espionage-and-cutthroat-competition-fueled-rise-humble-harmonica-180952733/. 2018
- Div., https://en.wikipedia.org/wiki/Harmonica. 2017
- Div., https://de.wikipedia.org/wiki/Mundharmonika. 2017
- Div., https://es.wikipedia.org/wiki/Arm%C3%B3nica. 2017
Mundharmonika Orchester 1927 Knittlingen. Das älteste noch existierende Mundharmonika Orchester!
Geschichte der Mundharmonika - die weltberühmte Knittlinger Oktav
Der Name Knittlingen ist mit der Geschichte der Mundharmonika eng verbunden.
Heute erinnern deshalb nur noch zwei Institutionen an die alte Harmonika-Herrlichkeit der Stadt Knittlingen: die weltberühmte Knittlinger Oktav und das im Jahre 1927 ins Leben gerufene Mundharmonika-Orchester Knittlingen, das die Tradition der Musik- und Mundharmonika-Stadt Knittlingen auch in Zukunft pflegen will.
Quellen: „Geschichte der Mundharmonika“ von Fritz Meisel, Musikblatt 4/82; „Knittlingen – Geschichte einer Stadt“ von Karl Weisert.Danke dir Heinz!
Mark